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Das Modell der produktiven Realitätverarbeitung nach Klaus Hurrelmann -…
Das Modell der produktiven Realitätverarbeitung nach Klaus Hurrelmann
Lebensphasen als Fundament der Theorie
Fokussierung auf die
Jugendphase
als...
...Lebensabschnitt mit eigenen Rechten und Pflichten und Zwischenschritt zwischen dem abhängigen Kindheits- und dem unabhängigen Erwachsenenstatus.
... zeitlich ausgedehnte Lebensphase (mittlerweile ca. 15 Jahre) mit Tendenz zur weiteren Ausdehnung (bald ggf. 10. - 30. Lebensjahr).
... Lebensabschnitt zur Erlangung der ökonomischen Selbstständigkeit und der Gründung einer eigenen Familie.
... Freiraum für die Gestaltung der Lebensführung (z. B. infolge von Traditionsverlust), der allerdings Kompetenz bedarf, damit dieser Freiraum produktiv genutzt werden kann.
... Gefahr für knapp 1/5 eines jeden Jahrgangs, der Überforderungssymptome zeigt (insbesondere Jugendliche aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status und auffällig viele männliche Jugendliche); 1/3 zeigt vorübergehende oder dauerhafte Probleme bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben (s. u.)
... benötigte Antwort auf steigende Ausbildungs- und Bildungsanforderungen, wodurch die Ausbildungszeit verlängert wird (und damit auch die Jugendphase).
... notwendige ‚Neuprogrammierung‘ von physiologischen, psychologischen und sozialen Regulierungs- und Bewältigungsmustern
Entwicklungsaufgaben
als für verschiedene Altersphasen konstitutive gesellschaftliche Erwartungen, die an Individuen der verschiedenen Altersgruppen herangetragen werden.
1.Qualifizieren
--> Entwicklung von intellektuellen/sozialen Kompetenzen für spätere Berufstätigkeit, um die
gesellschaftliche Mitgliedsrolle des Berufstätigen
zu übernehmen
umfassen körperliche, psychische, soziale und ökologische Anforderungen, die mittels Identifizierung in individuellen Verhaltensprogrammen umgesetzt werden (müssen) und aufeinander aufbauen
2. Binden
--> Entwicklung der Körper-/Geschlechtsidentität, emotionale Ablösung von Eltern, Fähigkeit der Bindung, um
gesellschaftliche Mitgliedsrolle eines Familiengründers
zu übernehmen
3. Konsumieren
--> Entwicklung von sozialen Kontakten und Entlastungsstrategien sowie Umgang mit Wirtschafts-, Freizeit- und Medienangeboten (
gesell. Mitgliedsrolle des Konsumenten
)
4. Partizipieren
--> Entwicklung eines individuellen Werte- & Normensystems und Fähigkeit zur politischen Partizipation (
gesell. Rolle als Bürger
)
Vermittlung
hauptsächlich über Sozialisationsinstanzen, wobei die individuellen Verhaltensweisen bzw -programme (mittels Identifizierung) zwischen der vollständigen Erfüllung der Erwartung und einem Ausweichen vor denselben besteht. Ignorieren lassen sie sich aber nicht.
Empirisch gesicherte gute Voraussetzungen für die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben
Soziale Ressourcen
(für Problem-lösungen/Krisen)
hoher sozialer Status des Elternhauses (und hoher Bildungsgrad der Eltern)
enger familiärer Zusammenhalt
auf Selbstständigkeit zielende Erziehung der Eltern
gute und solidarische Geschwisterbeziehungen
gute Nachbarschaft
vertrauensvolle Beziehungen zu Erwachsenen außerhalb der Kernfamilie
harmonische Gleichaltrigengruppe
gute Freundschaften
gute Kontakte zu Lehrern
positive schulische Erfahrungen
unterstützende soziale Kontakte in der Freizeit
Personale Ressourcen
(für Problemlösungen/Krisen)
nötige körperliche Konstitution und Kondition
flexibles, offenes und aktives Temperament
(überdurchschnittliche) Intelligenz
positives Selbstwertgefühl mit Vertrauen in die Selbstwirksamkeit
spezifische Begabungen
konstruktives soziales Verhalten
eine internale Kontrollüberzeugung mit dem sicheren Gefühl, Einfluss auf die Geschehnisse im Umfeld nehmen zu können
Leistungsmotivation
sicheres Bindungsverhalten
3 Risikowege bei Bewältigung der Entwicklungsaufgaben
1. Nach außen gerichteter Risikoweg (externalisierende Variante)
Aggressionen gegen andere als Reaktion auf gestiegenen Entwicklungsdruck
Misslingende Bewältigung der Entwicklungsaufgaben führt zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, das durch nach außen gerichtete Haltung kompensiert wird --> Vernichtung eines vermeintlichen Gegners sorgt für das trügerische Gefühl, Herausforderung bewältigt zu haben
2. Ausweichender Risikoweg (evadierende Variante)
fluchtförmige Verhaltensweise: unstete, wechselhafte soziale Beziehungsmuster und suchtgefährdetes Verhalten (z. B. unkontrollierter Drogen-/Nahrungs- oder Medienkonsum)
Fremd- und selbstaggressive Züge sowie Betäubung, um sich von unangenehmen Entwicklungsaufgabe zu distanzieren
3. Nach innen gerichteter Risikoweg (internalisierende Variante)
Entwicklungsdruck führt zu Rückzug und Isolation, Desinteresse und Apathie, psychosomatischen Störungen und depressiven Stimmungen (bis hin zu Selbstaggressionen und Suizidversuchen)
Mangelnde Bewältigungskompetenzen, die man auf eigene Schwächen zurückführt, ohne einen Lösungsweg zu kennen
10 Maximen
Definition:
Metatheoretische Setzungen, die übereinstimmende Erkenntnisse aus den theoretischen Ansätzen der sozialisationsorientierten Jugendforschung bündeln. Sie erschließen somit auch handlungspropädeutische und forschungsleitende Perspektiven.
Erste Maxime
: Wie in jeder Lebensphase gestaltet sich im Jugendalter die Persönlichkeitsentwicklung in einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt. Hierdurch werden auch die Grundstrukturen für Geschlechtsmerkmale definiert.
Zweite Maxime
: Im Jugendalter erreicht der Prozess der Sozialisation, verstanden als die produktive Verarbeitung der
inneren und äußeren Realität
, eine besonders intensive Phase, der für den ganzen weiteren Lebenslauf ein Muster bildender Charakter zukommt. Die produktive Realitätsverarbeitung setzt eine Bewältigung der für das Jugendalter typischen
Entwicklungsaufgaben
voraus.
Dritte Maxime
: Menschen im Jugendalter sind schöpferische Konstrukteure ihrer Persönlichkeit mit einer sich schrittweise erweiternden Kompetenz zur selbstverantwortlichen Lebensführung.
Vierte Maxime
: Die Lebensphase Jugend ist durch die lebensgeschichtlich erstmalige Chance gekennzeichnet, eine
Ich-Identität
zu entwickeln. Diese Ich-Identität entsteht aus dem Austarieren (bzw. der Synthese) von
persönlicher Individuation und sozialer Integration
, die in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander stehen.
Fünfte Maxime
: Der Sozialisationsprozess im Jugendalter kann krisenhafte Formen annehmen, wenn es Jugendlichen nicht gelingt, die Anforderungen der
Individuation
und der
Integration
aufeinander zu beziehen und miteinander zu verbinden. In diesem Fall werden die
Entwicklungsaufgaben
des Jugendalters nicht gelöst und es entsteht ein sich aufstauender
Entwicklungsdruck
.
Sechste Maxime
: Um die Entwicklungsaufgaben zu bewältigen und das Spannungsverhältnis von
Individuations- und Integrationsanforderungen
auszutarieren, sind neben individuellen Bewältigungsfähigkeiten („
personale Ressourcen
“) auch soziale Unterstützungsleistungen von den wichtigsten Bezugsgruppen („
soziale Ressourcen
“) notwendig.
Siebte Maxime
: Neben der Herkunftsfamilie sind Schulen, Ausbildungsstätten, Gleichaltrige und Medien als „
Sozialisationsinstanzen
“ die wichtigsten Vermittler und Unterstützer im Entwicklungsprozess des Jugendalters. Günstig für die Sozialisation sind sich ergänzende und gegenseitig anregende Impulse dieser Instanzen.
Achte Maxime
: Die Lebensphase Jugend muss unter den heutigen historischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen in westlichen Gesellschaften als eine eigenständige Phase im Lebenslauf identifiziert werden. Sie hat ihren früheren Charakter als Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen verloren.
Neunte Maxime
: Hoch entwickelte Gesellschaften sind nicht nur durch schnellen sozialen Wandel, sondern auch durch ein großes Ausmaß an sozialer und ethnischer Vielfalt und durch immer stärker werdende ökonomische Ungleichheit gekennzeichnet. Diese Merkmale prägen zunehmend auch die Jugendphase und führen zu einer Spaltung jugendlicher Lebenswelten.
Zehnte Maxime
: Die Zugehörigkeit zum weiblichen oder männlichen Geschlecht prägt die Muster der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. In den letzten drei bis vier Jahrzehnten haben die Mädchen und jungen Frauen sich in vielen Bereichen der Lebensführung bessere Ausgangschancen als die Jungen und die jungen Männer erschlossen.