Nun nahm es die zwölf Hemden und ging fort und geradezu in den grossen Wald hinein. Es ging den ganzen Tag und am Abend kam es zu dem verwünschten Häuschen. Da trat es hinein und fand einen jungen Knaben, der fragte: „Wo kommst du her und wo willst du hin?“ und erstaunte, dass sie so schön war, königliche Kleider trug und einen Stern auf der Stirn hatte. Da antwortete sie: „Ich bin eine Königstochter und suche meine zwölf Brüder und will gehen, so weit der Himmel blau ist, bis ich sie finde.“ Sie zeigte ihm auch die zwölf Hemden, die ihnen gehörten. Da sah Benjamin, dass es seine Schwester war und sprach: „Ich bin Benjamin, dein jüngster Bruder.“ Und sie fing an zu weinen vor Freude, und Benjamin auch, und sie küssten und herzten einander vor grosser Liebe. Hernach sprach er: „Liebe Schwester, es ist noch ein Vorbehalt da, wir hatten verabredet, dass ein jedes Mädchen, das uns begegnete, sterben sollte, weil wir um ein Mädchen unser Königreich verlassen mussten.“ Da sagte sie: „Ich will gerne sterben, wenn ich damit meine zwölf Brüder erlösen kann.“ – „Nein,“ antwortete er, „du sollst nicht sterben, setze dich unter diese Bütte, bis die elf Brüder kommen, dann will ich schon einig mit ihnen werden.“ Also tat sie; und wie es Nacht ward, kamen die anderen von der Jagd, und die Mahlzeit war bereit. Und als sie am Tische sassen und assen, fragten sie: „Was gibt’s Neues?“ Sprach Benjamin: „Wisst ihr nichts?“ – „Nein,“ antworteten sie. Sprach er weiter: „Ihr seid im Walde gewesen, und ich bin daheim geblieben, und weiss doch mehr als ihr.“ – „So erzähle uns,“ riefen sie. Antwortete er: „Versprecht ihr mir auch, dass das erste Mädchen, das uns begegnet, nicht soll getötet werden?“ – „Ja,“ riefen sie alle, „das soll Gnade haben, erzähl uns nur!“ Da sprach er: „Unsere Schwester ist da,“ und hub die Bütte auf, und die Königstochter kam hervor, in ihren königlichen Kleidern mit dem goldenen Stern auf der Stirne, und war so schön, zart und fein. Da freuten sich alle, fielen ihr um den Hals und küssten sie und hatten sie von Herzen lieb.
Nun blieb sie bei Benjamin zu Haus und half ihm in der Arbeit. Die elfe zogen in den Wald, fingen Gewild, Rehe, Vögel und Täuberchen, damit sie zu essen hatten, und die Schwester und Benjamin sorgten, dass es zubereitet wurde. Sie suchte das Holz zum Kochen und die Kräuter zum Gemüs und stellte die Töpfe ans Feuer, also dass die Mahlzeit immer fertig war, wenn die elfe kamen. Sie hielt auch sonst Ordnung im Häuschen, und deckte die Bettlein hübsch weiss und rein, und die Brüder waren immer zufrieden und lebten in grosser Einigkeit mit ihr.
Auf eine Zeit hatten die beiden daheim eine schöne Kost zurechtgemacht, und wie sie nun alle beisammen waren, setzten sie sich, assen und tranken und waren voller Freude. Es war aber ein kleines Gärtchen an dem verwünschten Häuschen, darin standen zwölf Lilienblumen, die man auch Studenten heisst. Nun wollte sie ihren Brüdern ein Vergnügen machen, brach die zwölf Blumen ab und dachte, jedem aufs Essen eine zu schenken. Wie sie aber die Blumen abgebrochen hatte, in demselben Augenblick waren die zwölf Brüder in zwölf Raben verwandelt und flogen über den Wald hin fort, und das Haus mit dem Garten war auch verschwunden. Da war nun das arme Mädchen allein in dem wilden Wald, und wie es sich umsah, so stand eine alte Frau neben ihm, die sprach: „Mein Kind, was hast du angefangen? Warum hast du die zwölf weissen Blumen nicht stehen lassen? Das waren deine Brüder, die sind nun auf immer in Raben verwandelt.“ Das Mädchen sprach weinend: „Ist denn kein Mittel, sie zu erlösen?“ – „Nein,“ sagte die Alte, „es ist keins auf der ganzen Welt, als eins, das ist aber so schwer, dass du sie damit nicht befreien wirst, denn du musst sieben Jahre stumm sein, darfst nicht sprechen und nicht lachen, und sprichst du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde an den sieben Jahren, so ist alles umsonst, und deine Brüder werden von dem einen Wort getötet.“ <break time="1s"/> Weiter?
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