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Glaubensentwicklung bei Grundschülerinnen und Grundschülern Herbst 2014…
Glaubensentwicklung bei Grundschülerinnen und Grundschülern Herbst 2014 Thema 3
allgemein:
religiöse Entwicklung ist mehr als Aneignung von Wissen
Deutungsangebote müssen mit bestehenden Wissensstrukturen, Einstellungen und Haltungen vernetzt werden
der "mythisch-wörtliche glaube" beim Grundschulkind = Entwicklungsphase nach Fowler
JAMES FOWLERS STUFEN DES GLAUBENS
Fowler entwickelte in Tradition Jean Piagets und Lawrence Kohlbergs eine Glaubensentwicklungstheorie mit sechs Stufen
Mit Glauben meint er dabei „faith“, nämlich die Beziehung beziehungsweise das Vertrauen zu Gott. Dieses grenzt er von "belief", nämlich dem Fürwahrhalten von Glaubensinhalten ab
Die Altersangaben der sechs Stufen sind nur ein grober Richtwert
Als Ausgangspunkt seines Entwicklungsmodells nimmt Fowler einen sogenannten Ersten Glauben (Stufe 0), in dem das Kind eine grundlegende Geborgenheit erfährt (Urvertrauen)
Für das Kindergartenalter spricht er von intuitiv-projektivem Glauben (Stufe 1)
Im Grundschulalter ist der mythisch-wörtliche Glaube (Stufe 2) bestimmend
Das Erreichen der Stufe des abstrakten Denkens sieht Fowler dann bestimmt durch die sogenannte synthetisch-konventionelle Glaubensphase (Stufe 3), die etwa mit 12 oder 13 Jahren beginnt
es können keine Stufen übesprungen werden, um die Nächsthöhere zu erreichen, müssen die vorherigen durchlaufen werden
Einen großen Reiz gewinnt das
Stufenkonzept der „Faith Development Theory“ durch
den Anspruch, Menschen nach ihren Äußerungen über
den Glauben quasi diagnostisch „einzustufen“ und damit
ungeachtet der spezifischen religiösen Inhalte eine Einschätzung des individuellen Entwicklungsstands ihres
persönlichen Glaubens treffen zu können.
Fowler: "Die Glaubensstufen... nicht als eine Leistungsskala verstanden werden, nach welcher der Wert von Menschen
beurteilt werden kann. Ebenso stellen sie keine erzieherischen oder therapeutischen Ziele dar, auf die man die
Menschen hinbewegen sollte."
Intuitiv-projektiver Glaube
Alter ca. 2-7
der "mythisch-wörtliche Glaube"
Alter ca. 7-12
wörtliche Übernahme von Glaubensinhalten der Glaubensgemeinschaft
Beginn der Übernahme von „Stories“ (von Glaubensinhalten, Regeln) der Glaubensgemeinschaft
die Kinder verstehen und übernehmen die Geschichten, Mythen, moralischen Werte, Glaubensinhalte, Symbole und Regeln wörtlich und eindimensional
Bsp.: Der Himmel als
Symbol wird wörtlich verstanden und Gott wird „auf
den Wolken“ lokalisiert
die SuS haben kein Gefühl für deren Tief- und Mehrschichtigkeit, sie fragen noch nicht nach
einem weiteren, tieferen Sinn
Da die Regeln strikt wörtlich genommen werden, werden Erwachsene von
Kindern in dieser Phase manchmal beim „Lügen“ ertappt, da eine mehrdimensionale/vielschichtige Wahrheit noch
nicht erkannt wird
Der Mensch der Stufe 2, Kind oder
Erwachsener, denkt über die Vielfalt der Deutungen und Bedeutungen der Glaubensinhalte (angelsächsisch „belief“) noch nicht nach
die Kinder können auf der Ebene von (biblischen) Geschichten eigene Konstruktionen vornehmen
narrative Erschließung der Welt
Eine neue, narrative Erschließung der Welt, ersetzt die zuvor episodische Erklärung der Wirklichkeit. Die Welt wird narrativ erschlossen, Geschichten erlangen eine wichtige Bedeutung für das Kind (z. B. Geschichten aus der Bibel)
Unterscheidung zwischen Fantasie und Realität
Fantasie spielt immer noch eine große Rolle. Zunehmend kann aber zwischen Fantasie und Realität gemäß logischer Kriterien unterschieden werden / Unterscheidung zwischen Realität und Fantasie ist möglich
Fähigkeit zur Rollenübernahme
Die Fähigkeit zur Rollenübernahme ermöglicht
Gerechtigkeitsvorstellungen, welche die gegenseitige Fairness betonen / die Sichtweise anderer Personen kann eingenommen werden
noch nicht möglich:
Eine Reflexion über das eigene Leben ist hier jedoch noch nicht möglich
ihnen sind noch keine Metapositionen möglich
anthropomorphe Gottesvorstellung
die Erklärungsmuster für Geschichten und die Wirklichkeit enthalten anthropomorphe Handlungsträger, auch Gott wird als ein Mensch imaginiert / anthropomorphe Gottesvorstellungen
höhere Wesen können die Welt regeln und ordnen
„Wie sieht Gott aus?“ / „...Ich stelle mir vor, daß er ein alter Mann
ist mit einem weißen Bart und weißen Haaren, der einen langen Mantel trägt, und daß die Wolken
sein Fußboden sind und er einen Thron hat. ... er hat ein freundliches, schönes Gesicht, blaue
Augen. Er kann nicht ganz weiß sein, nicht wahr, er hat blaue Augen, und er verzeiht.“
Fazit:
der kindliche Glaube wird von den altersstufenspezifischen kognitiven Möglichkeiten und Grenzen geprägt
Über die unmittelbare wörtliche Übernahme von religiösen
Vorstellungen aus Geschichten und Bildern hinaus sind
Grundschulkinder aber auch aktive Konstrukteure einer
eigenen kreativen Glaubenswirklichkeit. Beide Erkenntnisse
sind von großer Bedeutung für die Religionspädagogik.
synthetisch-konventioneller Glaube
Alter ca. 13-20
KRITIK
Nicht immer konnten die Postulate seines Stufenmodells einer strengen empirischen Überprüfung standhalten
Auch Heinz Streib versucht das Bewusstsein dafür zu schärfen,
wie unterschiedlich Wege der individuellen Glaubensentwicklung
verlaufen können. Damit öffnet er die
einseitige kognitiv-strukturelle Betonung einer vorgezeichneten
Glaubensentwicklung der Fowlersche Theorie hin zur lebensweltlichen und -geschichtlichen Vielfalt
(Diversity) von Religiosität
Seiner Ansicht nach stehen
bei Fowler die Aspekte Glaubensinhalte, Beziehungserfahrungen
und Lebensgeschichte in der Gefahr, vernachlässigt
zu werden
aus religionspädagogischer Sicht sind für die SuS ein Wachstum im Glauben, eine persönliche gute Gottesbeziehung und auch eine
Erkenntnis der Vielschichtigkeit von Wahrheit wünschenswert
Doch die Entwürfe von Heinz Streib u. a. haben gezeigt, dass dies nicht nur eine Frage
der Denkmöglichkeiten ist. Besonders die frühen Beziehungserfahrungen
und auch die Widerfahrnisse des
Lebens machen oftmals Umwege, Rückschritte und Sackgassen
im Glauben wahrscheinlich.
PRO
für die religiöse
Erziehung von Kindern und Jugendlichen gibt das
Stufenmodell psychologisch fundiert Auskunft über
die Möglichkeiten und Grenzen, „Glauben zu denken“.
Heinz Streib, evangelischer Theologe, Bielefeld
James Fowler war ein US-amerikanischer Theologe
kritische Fragen:
erwachen etwa ab Mitte der Grundschulzeit
können Vorboten der sogenannten Einbruchstellen im Glauben sein
der Wahrheitsgehalt biblischer Erzählungen wird angezweifelt
der Verdacht erwächst, Gott könnte eine Illusion sein
die Begegnung mit naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien stellt die biblische Schöpfungserzählung in Frage
Chancen:
trotzdem gehen Kinder neugierig auf biblische Erzählungen zu und lassen sich auf sie ein
sie zeigen trotzdem hohe Motivation im theologischen Gespräch
kritische Anfragen und ein Sicherheit spendendes Gottesbild stehen nebeneinandern und schließen sich nicht aus
die Forschungsergebnisse zu Kindern im Grundschulalter lassen sich wie folgt zusammen fassen:
in der Regel konstruieren sie offen, neugierig und voller Vertrauen ein positives Gottesbild
sie sind in der Lage facettenreiche Gottesbilder zu entwickeln
sie können in personalen und apersonalen Kategorien von Gott sprechen
-personale Kategorien: Gott als persönlicher Gott, Gott werden menschliche und menschenähnliche Attribute zugeschrieben
sie können Vergleiche und Metaphern entwickeln
Beispiele für personale Vergleiche: Gott ist liebevoll und gütig wie ein Vater oder eine Mutter
Beispiele für apersonale Vergleiche: Gott ist eine Kraftquelle, ein Licht in der Finsternis, ein Wegweiser
je besser Kinder mit biblischen Erzählungen vertraut sind, desto stärker werden sie diese biblischen Grundlagen zur Konstruktion ihrer Gottesvorstellungen heranziehen
die biblischen Vorlagen werden nicht einfach kopiert, sondern fantasievoll mit ihrem eigenen Denken verbunden
Kinder können verschiedene Gottesbilder integrieren, so wird Gott gleichzeitig im Himmel und im Herzen gedacht, Gott ist für Menschen unsichtbar und trotzdem präsent und kann mit Menschen in Kommunikation treten, Gott ist ein persönlicher Begleiter und gleichzeitig für alle Menschen da
das ist eine besondere Kompetenz von Kindern, da diese Integration unterschiedlicher Gottesbilder Erwachsenen oft logische Schwierigkeiten bereitet
Einfluss auf die Konstruktion des Gottesbildes nimmt die Rede von, über und mit Gott, die Kindern begegnet
es findet oft keine familiäre religiöse Erziehung statt
deshalb kommt dem RU für die Konstruktion des Gotteskonzeptes eine sehr große Bedeutung zu
entscheidend für die individuellen Konstruktionen der SuS sind die Erfahrungen und Anregungen in Schule und Alltag und von deren Verarbeitung
Die verschiedenen Forschungsergebnisse zeigen eine Entwicklungslinie des Gottesbildes von GrundschülerInnen.
Einschränkungen/KONTRA
die Entwicklung variiert individuell deutlich sodass die Aussagen nicht auf alle Kinder gleichermaßen zutreffen
Altersangaben können nur als grober Hinweis gelten
PRO
die Darlegung einer Entwicklungslinie kann Lehrkräften als wichtige Beobachtungshilfe dienen
negative Gottesbilder
entstehen meistens nur, wenn die Kinder in ihrer eigenständigen Auseinandersetzung mit religiösen Fragen beeinflusst werden von:
Erwachsenen
einer herrschenden Staatsideologie
den Medien
Leiderfahrungen, die mit Gott in Verbindung gesetzt werden
Ziele für die Glaubensentwicklung im RU
:
durch die Begegnung mit biblischen Erzählungen und die Konstruktion eines facettenreichen Gottesverständnis soll eine positives, hoffnungsstiftendens und tragendes Fundament für religiöse Entwicklung gelegt werden
durch ein facettenreiches Gottesverständnis sollen die mehrdimensionale Wahrnehmung und Verständnis von Wirklichkeit, Tradition und Glaube ermöglicht werden
Implikationen für den RU
die individuelle Reflexion der SuS fördern
bewusster Umgang mit der Gottesfrage
Aufgreifen von Kritik und Zweifeln
bewusster Umgang mit Einbruchstellen des Glaubens
Rolle der Lehrkraft:
Lehrkraft als glaubender, zweifelnder, fragender und suchender Mensch
Lehrkraft begibt sich gemeinsam mit den SuS auf die Suche nach Antworten