Schulbezug und Praxisimplikation

Hattie-Studie (2013/2014)

Untersuchungsmethode:

  • Ergebnisse der einzelnen Meta-Studien mathematisiert und in Effektstärken (Größe des Effekts) umgerechnet
  • nach bestimmten Zeitraum Feststellung wieviel SuS gelernt haben (auch Kontrollgruppe)
    --> Höhe der Differenz zwischen den Gruppen = Erfolg des Lernprogramms

Unterrichtsqualität

Unterrichtsqualität in der Prozess-Produkt-Forschung

Schulqualität

Modelle

Standards für die Lehrerbildung (KMK 2004)

KMK: zentrale Aufgabe Qualität schulischer Bildung zu sichern

Weinert et al. (1989): Unterrichtsqualität als "jedes stabile Muster von Instruktionsverhalten, das als Ganzes oder durch einzelne Komponenten die substanzielle Vorhersage oder Erklärung von Schulleistung ermöglicht"

Fachspezifische Betrachtung von Unterrichtsqualität:

  • domänenspezifisches Lernen --> Unterrichtsmerkmale abhängig von Fachinhalten
  • Bedeutung von fachlichen und inhaltsbezogenen Faktoren für Erklärung von SuS-Leistungen (Wang et al. 1993, Seidel/Shavelson 2007)
  • internationale und deutsch U.forschung --> Mathe (Klieme et al. 2002) und Naturwissenschaften (Fischer et al. 2005) --> Kompetenzerwerb dort schwierig (Motivation)

oftmals Einsatz von Unterrichtsmethoden ohne begründbaren Erfolg

Lerntheoretische Ansätze als Grundlage der Analyse von Unterrichtsqualität:

  • behavioristische Lernth.: Lernerfolg von Verhaltensweisen des L und Unterrichtsmerkmalen
  • kognitivistische Lernth.: Unterrichtsmodelle nach Sequenzierung und Präsentation von Inhalten und in Abstimmung auf Vorwissen (--> lehrlastig)
  • konstruktivistische Lernth.: situations- und kontextgebundenheit des Wissenserwerbs (Werkzeuge, Lerngemeinschaft, Lernumgebung, realitätsnahe/authentische Probleme)

Geschichte der Prozess-Produkt-Forschung:

  • "Mastery Learning" (Carroll, 1963): Analyse des Schulversagens im amerikanischen Schulsystem (Benachteiligung soz. schwacher SuS, strenge Zeitvorgaben, Normalverteilung (Bezugsnorm) bei Notenvergabe)
    --> zentral für Lernerfolg: ausreichend Lernzeit
    --> benötigte Lernzeit abhängig von Verständlichkeit, Anordnung der Lerninhalte, Voraussetzungen
  • Bloom (1976): Möglichkeiten Schwierigkeiten im Lernprozess zu überwinden (abhängig von Lernvoraussetzungen, Qualität des U.angebots z.B. Strukturierung, Rückmeldung)
  • Walberg (1981): Unterschiede in Lernleistung durch Unterrichtsqualität erklärbar (keine einheitlichen Befunde, bedeutsam: Strukturierung, regelmäßige Rückmeldungen

Kritik an der Prozess-Produkt-Forschung:

  • Theorieloses Vorgehen (Interaktionen oder Muster guten U. zu wenig analysiert)
  • inkonsistente Befunde durch geringe Beachtung von Kontextfaktoren
  • methodische Weiterentwicklungen: Unterrichtsvideos, Fallstudien, die die Lernprozesse einzelner Personen/Klassen detailliert analysieren und in Beziehung zum Kontext setzen (USA)
  • theoretische Weiterentwicklungen: siehe Lerntheoretische Ansätze, Berücksichtigung von Merkmalen, die sich auf Unterrichtsqualität auswirken (Klasse, Schule, außerschul. Umfeld)

Zusammenhang zwischen Prozessen (Merkmale im Unterrichtsprozess) und Produkten (Unterrichtsergebnisse, Zielkriterium: z.B. Leitungszuwachs) durch korrelative Analysen berechnet

Fachübergreifende lernförderlich Unterrichtsmerkmale:

  • hoher Anteil aktiver Lernzeit
  • Classroom Management: möglichst wenige U.störungen bzw. Disziplinprobleme
    --> Kounin (1976): wenige Störungen als Ergebnis eines präventiven Lehrerverhaltens
    --> Allgegenwärtigkeit, Schwung in den Übergängen, Gleichzeitigkeit von Lehrtätigkeiten
  • Rückmeldung an SuS (informatives Feedback) --> unterstützendes Feedback, Grundangabe
  • Verständnisorientierung: verständnisorientierte Fragen, Wartezeit, Auswahl und Präsentation von Aufgaben
  • Strukturierung und Klarheit: "roter Faden", Berücksichtigung von Vorwissen, Berücksichtigung von Fehlkonzepten
  • transparente, hohe Leistungsanforderungen: sinnvolle Herausforderungen --> keine Überforderung
  • Variabilität von U.formen: breites Repertoire, anforderungsgerechter Einsatz
  • Lehrer-Schüler-Beziehung: positives Klassenklima, Bedeutung für intrinsische Lernmotivation

Qualitätsfakoren

Begriff

Qualität als "Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmal Anforderungen erfüllt"

Kontext-abhängige Output-Messung: Messung des Outputs (SuS-Leistung) nur in adjustierter Weise (unter Berücksichtigung von Kontextvariablen und Vorwissen der SuS)
--> Identifizierung des durch Schulfaktoren bedingten Anteil an Leistungsentwicklung

Relevante Qualitätsmerkmale schulischer Ebene (Ditton 2000b, Stringfield 1994):

  • Schulkultur (Zielformulierung, organisatorische Leitung)
  • Schulmanagement (geteilte Visionen, geregelte Aufgabenverteilung)
  • Kooperation und Koordination (Wissensaustausch, Kontakt zu externen Personengruppen)
  • Personalpolitik (Rekrutierung und Weiterbildung des Personals)

Effektivität: Genauigkeit und Vollständigkeit mit der ein Ziel erreicht wird

lat. "qualitas" = Beschaffenheit, Güte oder Werthaltigkeit

Qualitätsbegriff im Bildungswesen:

  • Harvey/Green (2000): Qualität nach Zweckmäßigkeit, adäquater Gegenwert (Effizienz), Perfektion, Exklusivität und Exzellenz, Transformation
    --> Maßnahme/Intervention, die durch Zugewinn an Wissen/Kompetenzen deutlich wird
    --> Ziel der Ermächtigung und Selbstbestimmung
  • Dubs (2003): Qualität ist die "bewertete Beschaffenheit eines Bildungssystems, einer Schule oder einer Klasse, gemessen an den in einem politischen Aushandlungsprozess gefundenen Ansprüchen und Zielvorstellungen aller am Bildungswesen interessierten Gruppierungen und Personen"

Kritische Aspekte der Bestimmung von Qualität:

  • Qualität nicht allgemein Gutes, sondern situativ-, personal- und zeitrelationaler Begriff
  • erst durch Resultate konkretisierbar auf bestehende Erwartungen, Anforderungen

Effizient: Verhältnis von Kosten und Nutzung

Ziele schulischen Wirkens:

  • Fend (1981): "Zielpunkt [...] bildet [...] wie schulische Wirksamkeit gestaltet sein soll und zu welchen innerschulischen und außerschulischen Zielen sie führen soll."
  • Debatte über Ziele schulischen Wirkens durch die Konzentration auf länderübergreifende Bildungsstandards bestimmt

Humanistische Ansätze: Ziel von Bildungsprozessen die allgemeine Entwicklung aller menschlichen Kräften

Funktionalistische Perspektive: wirtschaftliche Nutzbarkeit erworbener Qualifikationen und Kompetenzen, sowie die Effektivität und Effizienz von Bildungsinhalten

Modell von Qualität und Qualitätssicherung (Ditton, 2000a):

  • vier Ebenen: Kontext/Umwelt, Bildungsinstitution, Unterricht, Individuum (Lehrender/Lernender
  • Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Wirkungen
  • Bedeutung von Intentionen für die Steuerung von Bildungsprozessen
  • mehrfache Transformation eines intendierten Curriculums in sozialen Handlungs- und Kommunikationszusammenhängen bis es in konkrete Lehr-Lernsituation implementiert wird
  • evaluationszentrierte Kontrolle (Standards, Accountability, Assessment) --> Überprüfung der Zielerreichung mit externer Evaluation
  • Erweiterte Autonomiezugeständnisse an Schule, Vorgabe von Bildungsstandards, regelmäßige Überprüfung der Zielerreichung

Kontext-Input-Prozess-Output-Modell (OECD, 2005; Oelkers/Reusser, 2008)

  • Strukturelle Dimension (vertikal): Schule als Mehrebenensystem (Schule, Unterricht, Lehrerpersönlichkeit, Merkmale der SuS)
  • Dynamische Dimension (horizontal): Transformation von Eingangsbedingungen (z.B. materielle Ressourcen, Lehrpläne) in erzielte Ergebnisse mittels schulinterner Bildungsprozesse

Forschungsbedarf

Bedeutsamste Determinanten der SuS-Leistung: aufgewendete Lernzeit (learning time), Auswahl von Lehrinhalten (curriculum Quality), innerschulische Lerngelegenheiten (opportunity to learn)

SuS-Merkmale als bedeutsamste Determinanten schulischer Leistung (Intelligenz, Vorwissen, sozioökonomischer Status)

Variation der schulischen Wirkung nach Domäne und Zielgruppe:

  • instruktionale Aspekte empirisch höheren Einfluss auf Mathematik als auf Sprachen
  • Maßnahmen der schulischen Förderung eher bei SuS mit niedrigem Leistungsniveau
  • Interaktionseffekt: sozial benachteiligte SuS profitieren von geringer Klassenstärke mehr
  • Gesamtkonstrukt, das sich aus situationsabhängiger Bewertung von Einzelfaktoren und Prozessen ergibt
  • komplexes, mehrdimensionales Konstrukt (multiple Wechselwirkung unterschiedlichster Faktoren und Prozesse)
  • Forschungsstand nicht ausreichend
  • Verbesserung von SQ durch Prozesse zur Steuerung von Qualität, Bildungsstandards
  • regelmäßige externe Evaluierung
  • L als hauptverantwortliche Akteure --> Aus- und Weiterbildungen

Anforderungen an L:

  • Fachleute für das Lehren und Lernen (nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion, individuelle Bewertung, systemische Evaluation)
  • Erziehungsaufgabe (in Zusammenarbeit mit Eltern) --> konstruktive Lösungen
  • Beurteilungs- und Beratungsaufgabe: kompetent, gerecht, verantwortungsbewusst
  • Weiterentwicklung der Kompetenzen: Fort- und Weiterbildungsangebote
  • Beteiligung an der Schulentwicklung: Gestaltung einer lernförderlichen Schulkultur und eines motivierenden Schulklimas

Grundlagen für die inhaltlichen Standards der Bildungswissenschaften:

  • Ausbildung in zwei Phasen (universitäre Bildung, Vorberetungsdienst) --> Theorie und Praxis
  • Fort- und Weiterbildung als dritte Phase --> lebenslanges Lernen im Lehrerberuf

Inhaltliche Schwerpunkte der Ausbildung

  • Bildung und Erziehung
  • Beruf und Rolle des Lehrers: Lehrerprofessionalisierung
  • Didaktik und Methodik für Gestaltung von U. und Lernumgebungen
  • Lernen, Entwicklung und Sozialisation
  • Leistungs- und Lernmotivation
  • Differenzierung, Integration und Förderung (Heterogenität)
  • Diagnostik, Beurteilung und Beratung
  • Kommunikation, Interaktion und Konfliktbewältigung
  • Medienbildung
  • Bildungsforschung

Didaktisch-methodische Ansätze der Bildungswissenschaften in der Lehrerbildung:

  • Ansätze: Situationsansatz, Fallorientierung, Problemlösestrategien, Projektorganisation, biographisch-reflexive Ansätze, Kontextorientierung, Phänomenorientierung
  • gefördert durch: Konkretisierung theoretischer Konzepte, literarische/filmische Beispiele, Videostudien, persönliche Erprobung und Reflexion, Mitarbeit an schul- und unterrichtsbezogener Forschung, Kooperation bei der Planung

Kompetenzen:

  • Kompetenzbereich Unterrichten: L als Fachleute für das Lehren und Lernen
  • Kompetenzbereich Erziehen: L üben ihre Erziehungsaufgabe aus
  • Kompetenzbereich Beurteilen: L üben ihre Beurteilungsaufgabe gerecht und verantwortungsvoll aus
  • Kompetenzbereich Innovieren: L entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter

6 Domänen:

  • Lernende: Vorwissen, Erwartungen von Umfeld, Selbsteinschätzung, Offenheit gegenüber Erfahrungen
  • Elternhaus: Erwartungen, Kenntnisse der Eltern in der Sprache der schulischen Bildung
  • Schule: Klima in der Klasse, Einflüsse der Peers
  • Lehrperson: Qualität des Lernens, Erwartungen, Offenheit der Lehrperson, Klima in der Klasse, Fördern von Anstrengungen und Einbindung aller Lernenden
  • Curricula: Gleichgewicht zw. Oberflächen- und tieferem Verstehen, Fokus auf Entwicklung von Lernstrategien
  • Unterrichten: auf Lernintentionen und Erfolgskriterien bewusst achten, anspruchsvolle Aufgaben, Gelegenheiten zum systematischen Üben, Erfolg erkennen, angemessene Lernstrategien, Lehren planen, Feedback einholen

John Hattie: Professor für Erziehungswissenschaften in Melbourne, 15-jährige Arbeit über 800 Meta-Studien --> Meta-Meta-Studie
--> Schwächen

  • Zusammenfassung aus Zusammenfassungen (grober Raster, Verlust von Einzelheiten)
  • Studien aus dem englischen Raum
  • alte Studien (1980er, 90er) --> Problem bei "webbasiertem Lernen"
  • Untersuchungen unterschiedlicher methodischer Qualität --> Beeinflussung der Qualität der Gesamtstudie
    --> trotzdem: umfassendste Datenbasis empirischer Bildungsforschung (gewaltige Leistung, viel Steuerungswissen für die Bildungswelt)

Starke Lerneffekte:

  • Gute Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus --> Hattie: Rückgriff auf Wissen der SuS statt Schularbeiten (Portfolio)
    --> keine nennenswerte Leistungssteigerung bei Reduzierung der Klassengröße
    --> Chancen durch mehr Feedback, Interaktion, intensivierte und verbesserte Diagnose
  • Elternhaus: sozioökonomischer Status:
    --> höher --> größere Unterstützung, mehr Ressourcen, stärkere Ermunterung, höhere Erwartung
    --> bedeutsam wie gut Eltern Schulsprache kennen
    --> mehr gelernt, wenn mehr SuS mit höherem sozioökonomischen Status
  • Schule: Finanzen, Schulgröße, Klassengröße, Schulleitung
    --> L: größerer Einfluss der Lehrpersonen als Schule, "nicht alle Lehrpersonen haben starke Effekte auf Lernende"
    --> Schulleitung: Einfluss auf SuS-Leistungen (Förderung der Fort- und Weiterbildung, Planung, Evaluation des Curriculums (Klassenbesuche)
  • Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler/in: starke Auswirkung auf Lernleistungen, L mit Respekt, Leistungen anerkannt
  • Lehrerfortbildung: höhere Effektstärke als -Ausbildung, effizient: Beobachtung der Methoden im Klassenzimmer, Video-/Audio-Feedback; weniger effizient: Vorlesungen, Diskussionen

Hattie oft falsch wiedergegeben ("Auf den Lehrer kommt es an") --> keine Arbeit für Bildungspolitiker, Bildungsbehörden etc.
--> zentrale Botschaft: "Das Lehrerhandeln macht den Unterschied"

Einschätzung der Lernenden

Problemlösen = Akt des Definierens oder Bestimmens der Problemursache, Identifizieren von Alternativen für eine Lösung, Einnehmen mehrerer Perspektiven
--> hohe Wirksamkeit (aber problembasiertes Lernen nur halb so viel Effekt)

Kooperatives Lernen: nutzt die Stärke der Peers; Feedback, das die Lernenden automatisch von den Peers erhalten

Direkte Instruktion: Hattie --> nicht mit Frontalunterricht gleichsetzen --> verschiedene Phasen

Interventionen für Lernende mit besonderem Förderbedarf: in der Regel sehr wirksam (kombiniertes Modell aus direkter Instruktion und Strategie Instruktion), hoch bei gezielten Programmen zur Worterkennung, Leseverständnis, Buchstabieren, Gedächtnisleistung, Metakognition

Fragen stellen: zweithäufigste Lehrmethode;wirksam sind offene, untersuchende Fragen, die das tiefere Verständnis fördern
--> kaum Lerneffekte der meisten im U. gestellten Fragen: Bezug auf Fakten oder Verhaltensweisen, reproduzierend

Computergestütztes Lernen (Hattie): effektiv im U. genutzt, wenn Vielzahl an Lehrstrategien, Vortraining der L, multiple Lerngelegenheiten, Kontrolle über Lernen, Peer-Lernen, optimiertes Feedback

Feedback als einer der wichtigsten Faktoren: effektives Feedback nach Hattie: Wohin gehst du? Wie kommst du voran? Wohin geht es danach?
--> auch Feedback gegenüber der L "Feedback an der Lehrperson hilft, das Lernen sichtbar zu machen"

Hausaufgaben:

  • große Unterschiede je nach Alter und Leistungsstärke
  • bei leistungsstärkeren SuS größere Effekte
  • in GS beinahe ohne Effekte
  • wirksam: kurz, regelmäßig, zum Üben und Wiederholen, Kontrolle der L

Hatties zentrale Botschaften:

  • Lernen sichtbar machen (Hinein-Versetzen in SuS, Feedback)
  • Hinterfragen --> kollegiale Kultur aufbauen
  • aktiver U effektiver
  • tiefergreifende Veränderung der Bildungspolitik in der Haltung zu Reformen nötig